Erfahrungen aus Brandenburger Kommunen zur Umsetzung des § 18a

Auszug aus der Broschüre #machtmal18a - Auswirkungen des 18a auf die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen

Blankenfelde-Mahlow ist eine amtsfreie Gemeinde im nördlichen Teil des Landkreises Teltow-Fläming in Brandenburg. Die Gemeinde entstand am 26. Oktober 2003 durch den Zusammenschluss der fünf vorher selbstständigen Gemeinden Blankenfelde, Dahlewitz, Groß Kienitz, Jühnsdorf und Mahlow. Sie liegt südlich von Berlin und grenzt an den Berliner Ortsteil Lichtenrade. Mit über 28.500 Einwohner*innen ist die Gemeinde die einwohnerstärkste des Landkreises Teltow-Fläming.

Blankenfelde-Mahlow hat einen hauptamtlichen Bürgermeister und 32 Stadtverordnete. Innerhalb der Stadtverordnetenversammlung gibt es keine großen Mehrheiten einer Partei. Vertreten sind AfD, CDU, FDP, freie Wählergemeinschaften, Grüne, LINKE und SPD.

Der § 18a wird in Blankenfelde-Mahlow durch die Gemeinde als Träger vieler Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe und durch die pädagogische Arbeit ihrer Fachkräfte umgesetzt. Wir haben mit Katja Hönig, der Teamkoordinatorin für Jugendarbeit in Blankenfelde-Mahlow, gesprochen.

Kompetenzzentrum Kinder- und Jugendbeteiligung Brandenburg (KiJuBB): Kinder- und Jugendbeteiligung wird in Blankenfelde-Mahlow durch die pädagogischen Fachkräfte in der Kommune umgesetzt. Wie gut funktioniert das?

Katja Hönig (KH): Besser als die ehrenamtliche Stelle des Jugendbeauftragten, die es in unserer Gemeinde einst gab. Während es den Ehrenamtlichen schwer fiel, einen Draht zu den Kindern und Jugendlichen zu finden, können wir die Beteiligung zunächst in den einzelnen Einrichtungen umsetzen. Wir erleben die jungen Menschen täglich, und es gehört zu unserer pädagogischen Praxis, sie an der Entwicklung von Angeboten zu beteiligen. Diesen Ansatz haben wir über die Einzeleinrichtungen hinaus weiterentwickelt.

KiJuBB: Das klingt spannend. Erzählen Sie uns bitte mehr.

KH: Die Kindertagesstätten und Horte arbeiten bereits seit vielen Jahren miteinander. Vor ungefähr zehn Jahren hat sich dann die Jugendarbeit vernetzt und begonnen, gemeinsam tätig zu werden. Um bessere Übergänge für die Kinder und Jugendlichen zu gestalten, sie besser zu beteiligen und eine schnellere Kommunikation zu ermöglichen, haben wir seit 2018 die bestehenden Netzwerke in der Bildungslandschaft gebündelt und erweitert: Auch Schulen, Feuerwehren und Vereine, die mit jungen Menschen arbeiten, sind eingeladen, sich an der Bildungslandschaft zu beteiligen. Hier tauschen sich Akteure aus den kommunalen Kindertageseinrichtungen, Horten, Jugendclubs, der Schulsozialarbeit und der Bibliothek regelmäßig aus und entwickeln unter anderem die Kinder- und Jugendbeteiligung weiter.

Bislang beteiligen sich an der Bildungslandschaft noch nicht alle Schulen aus unserer Gemeinde, doch da sind wir dran.

KiJuBB: Wie gut gelingt Ihnen die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen?

KH: In den einzelnen Einrichtungen sehr gut. Unsere Herausforderung ist die Beteiligung darüber hinaus. Während die Jugendlichen zum Beispiel in den Jugendclubs Angebote gestalten und umsetzen, bekommen wir sie weniger für Themen motiviert, die außerhalb der Clubs für sie interessant sein könnten. Was wollen sie in der Gemeinde verändern? Was wollen sie mitgestalten?

KiJuBB: Wie sind Sie diese Herausforderung angegangen?

KH: Wir haben uns mit der Frage, wie wir junge Menschen besser an den Angeboten innerhalb des Netzwerkes Bildungslandschaft beteiligen können, an das Kompetenzzentrum gewandt. Und da haben wir auch erst den § 18a kennengelernt. Der Beteiligungsparagraf stand für uns zu diesem Zeitpunkt nicht im Fokus. Viel wichtiger für uns war es, eine einrichtungsübergreifende Methode für die Beteiligung junger Menschen kennenzulernen: Die Kinder- & Jugendkonferenz, die wir durch das Kompetenzzentrum kennengelernt haben, wollten wir unbedingt ausprobieren.

KiJuBB: Jugendkonferenzen werden mitunter unterschiedlich und angepasst an die jeweilige Gemeinde umgesetzt. Wie haben Sie die Jugendkonferenz in Ihrer Gemeinde umgesetzt?

KH: Unsere Zielgruppe waren Kitakinder bis Schüler*innen aus der Sekundarstufe II. Dank unseres Zusammenschlusses in der Bildungslandschaft haben wir die Kinder über die jeweiligen Einrichtungen erreichen können. Die jeweiligen Fachkräfte haben in den Einrichtungen Gespräche geführt, um Themen für die Jugendkonferenz zu identifizieren. Das übergeordnete Thema war dann „Freiheit“. Da es mehr Interessierte als Plätze auf der Konferenz gab, wurden die Teilnehmer*innen aus den einzelnen Gruppen und Klassen per Losverfahren ausgewählt. Jede Klasse durfte eine*n Teilnehmer*in entsenden. An der Jugendkonferenz haben insgesamt 117 junge Menschen teilgenommen.

Auf der Jugendkonferenz haben wir in 10 Workshops nach drei Altersgruppen gearbeitet. Es gab die Kitakinder bis 2. Klasse, Grundschulkinder und die Schüler*innen der Sek I und II.

Im ersten Teil der Jugendkonferenz haben sie sich altersgerecht und methodisch angeleitet zum Thema „Freiheit“ ausgetauscht. Die Leitfragen waren „Wo fühlt ihr euch unfrei?“, „Wo hören euch Erwachsene nicht zu?“ und „Was muss passieren, damit es besser wird?“. Im zweiten Teil haben sie sich in künstlerischen, kreativen und sportlichen Workshops mit ihren Lösungsideen auseinandergesetzt.

 

Werke der Kinder-und Jugendkonferenz

Fotos: Gemeine Blankenfelde-Mahlow

 

KiJuBB: Was waren die Themen der Kinder und Jugendlichen und wie seid Ihr damit umgegangen?

KH: Das war spannend, denn die Themen hätten auch durchaus von den Erwachsenen kommen können. Wichtig waren ihnen die Mobilität mit Bus und Fahrrad. Auch Klima und Umwelt, Freizeitmöglichkeiten in der Gemeinde und Regeln des guten Miteinanders in Familie und Gesellschaft wurden angesprochen. Das wohl wichtigste Thema war ihnen die Schule, vor allem die Formen von Selbst- und Mitbestimmung innerhalb der Schule und fehlendes W-LAN wurden thematisiert.

Die Nachbereitung und der Umgang mit den Ergebnissen war unser großer Stolperstein.

KiJuBB: Aus Stolpersteinen lässt sich doch sehr gut lernen. Wie gestaltete sich Ihr Stolperstein konkret?

KH: Obwohl uns das Kompetenzzentrum darauf hinwies, dass wir aufpassen müssen, was mit den Ergebnissen geschieht und es wichtig ist, dass diese zeitnah in die Umsetzung kommen, haben wir den Hinweis nur mangelhaft umgesetzt. Ihren Tipp, dass die Erwachsenen die Ideen mitnehmen können, haben wir „so nebenbei“ umgesetzt, indem wir die Verwaltung und Politik „nur“ eingeladen haben und ihre Rolle dabei nicht klar genug benannt haben.

Die Umsetzung der Ergebnisse war maßgeblich abhängig von der Teilnahme von Politiker*innen und Verwaltungsmitarbeiter*innen. Wir sind einfach davon ausgegangen, dass sie die Ergebnisse von der Jugendkonferenz mitnehmen würden. Auf unsere Einladung hin gab es jedoch wenig Resonanz, und es haben nur wenige Stadtverordnete an der Konferenz teilgenommen.

Die Umsetzung der Ergebnisse sollte des Weiteren im Nachgang der Konferenz durch die Teilnehmer*innen erfolgen. Es haben sich 14 junge Menschen gefunden, die die Themen gesichtet und gewichtet haben. Zum Thema „Mitbestimmung in Schule“ und zum Thema „Umwelt und Klima in der Gemeinde“ wollte jeweils eine Gruppe weiter arbeiten, ihnen stand jeweils eine Fachkraft unterstützend zu Seite. Doch auch hier fehlten eine strukturelle Anbindung und ein Ausblick auf erfolgreiche Umsetzung, so dass deren Engagement letztlich versiegte.

Wir hatten uns einfach selbst überholt. Die Bedenken vor der Kommunalwahl 2019 und den politischen Wind im Rücken, der dann gegebenenfalls aus anderer Richtung wehen würde, wollten wir die Jugendkonferenz unbedingt noch im August 2019 durchführen. Das heißt, wir hatten inklusive der Sommerferien nur fünf Monate für die Vorbereitung und Durchführung.

Für die nächste Jugendkonferenz müssen wir uns besser strukturieren, frühzeitig Verantwortlichkeiten für die Ergebnisse und deren Umsetzung vergeben, um so die Erfolge einer Jugendkonferenz für die Kinder und Jugendlichen erfahrbar zu machen.

KiJuBB: Genug des Stolpersteines. Was lief denn aus Ihrer Perspektive gut?                                                             

KH: Die Veranstaltung war sehr gut durchorganisiert, Fachkräfte aus unterschiedlichsten Bereichen haben an einem Strang gezogen. Wir haben fast 120 Kinder und Jugendliche innerhalb kürzester Zeit mobilisieren können. Das war toll! Es war spannend mitzuerleben, welche Themen die Kinder und Jugendlichen bewegen und was sie zu sagen haben. Wir haben inklusiv gearbeitet und Menschen unterschiedlicher Lebenswelten zusammen und in den Austausch gebracht. Es war unglaublich mitzuerleben, wie viel Energie an einem Tag freigesetzt werden kann. Das ist für uns Fachkräfte auch ein Motivator weiterzumachen.

KiJuBB: Und wenn Sie jetzt so an die Jugendkonferenz 2019 zurückdenken: Was ist geblieben?

KH: Da fallen mir drei konkrete Dinge ein:

  1. Wir konnten über die Jugendkonferenz zwei Stadtverordnete für unsere Bildungslandschaft gewinnen, die sich noch immer im Netzwerk beteiligen, unsere Themen mitbekommen und in die politische Gremienarbeit mitnehmen.
  2. Die Erfahrungen der ersten Jugendkonferenz haben dazu beigetragen, dass wir regelmäßig einmal im Jahr Jugendkonferenzen durchführen wollen. Corona hat uns in 2020 zwar einen Strich durch die Rechnung gemacht, aber am 1. Juni 2021 hoffen wir wieder eine Jugendkonferenz durchzuführen. Und dann mit besserer Umsetzung der Ergebnisse.
  3. Derzeit findet ein Filmprojekt mit und für Jugendliche statt, in dem das Thema Kinder- und Jugendbeteiligung aufbereitet wird. Dies wird der Werbefilm für die Jugendkonferenz 2021.

KiJuBB: Was würden Sie sagen, welche Auswirkungen der § 18a auf die Gemeinde Blankenfelde-Mahlow hat?

KH: Uns als Bildungslandschaft hat der 18a nicht angestoßen. Unser Anliegen ist es seit unserer Gründung, Angebote in der Gemeinde weiterzuentwickeln und dafür eine Struktur zu schaffen.

Allerdings musste unsere Kommune aufgrund des 18a etwas zur Kinder- und Jugendbeteiligung in die Hauptsatzung bringen, und da kamen wir mit unserer Jugendkonferenz genau richtig. Es ist schön, dass die Jugendkonferenz Eingang in die Hauptsatzung gefunden hat, weil es aus der pädagogischen Praxis heraus entwickelt wurde. Wir hatten mit dem 18a die Chance, von unten nach oben einen Beitrag zur Kinder- und Jugendbeteiligung zu leisten. Die Gemeinde hat die Konferenz mit 6.000 € unterstützt, und wir hoffen, dass das mit der Aufnahme der Jugendkonferenz als Instrument der Kinder- und Jugendbeteiligung in die Hauptsatzung auch künftig so sein wird.

Das Kompetenzzentrum für Kinder- und Jugendbeteiligung Brandenburg ist ein Projekt der:

kijube der patritaetische Stiftung Wohlfarhtspflege Brandenburg Logo
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Es wird finanziert aus Mitteln des Landes Brandenburg durch das Ministerium für Bildung, Jugend und Sport.