Die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen an allen sie berührenden Angelegenheiten ist nicht nur in der UN-Kinderrechtskonvention festgeschrieben, sondern hat in den vergangenen Jahren auch Eingang in die Kommunalordnungen verschiedener Bundesländer gefunden. Zur Interessensvertretung durch Jugendringe und Jugendverbände sind weitere Formen und Formate der Kinder- und Jugendbeteiligung hinzugekommen, z.B. Jugendparlamente, Jugendbeiräte und Jugendforen, aber auch projektbezogene Beteiligung, z. B. an stadtplanerischen Vorhaben. Der Wunsch nach mehr Beteiligung wirkt auch auf Länder- und Bundesebene, nicht zuletzt durch neue Organisationen und Jugendbewegungen wie Fridays for Future.

Zur Kinder- und Jugendbeteiligung in Deutschland und den einzelnen Bundesländern gibt es bereits Analysen, Studien und Handlungsempfehlungen für Städte, Gemeinden und Landkreise. Auch die Lebenswelten von Mädchen* und ihre Bedürfnisse wurden vielfach mit unterschiedlichen Forschungsdesigns untersucht. Hingegen liegen weniger Erkenntnisse und Methoden über die Beteiligung von Mädchen* und jungen Frauen* in den skizzierten Strukturen vor.

Die Perspektiven von Mädchen* und jungen Frauen* – so die Rückmeldungen aus der Praxis der Jugend-, aber auch der Gleichstellungsarbeit – scheinen sich von denen von Jungen* und jungen Männern* zu unterscheiden, beispielsweise bezüglich der Gestaltung des öffentlichen Raumes. Doch woran liegt das? Sind es die Zugänge zu Beteiligungsstrukturen? Sind es die Strukturen an sich – oder gar die politische Praxis, die sie hemmen oder abschrecken? Oder sind es tatsächlich die kommunalen Themen, die nicht den Nerv der Mädchen* und jungen Frauen* treffen? Und welche Verbindungslinien gibt es zwischen der Einbindung von Mädchen* im Zuge von Jugendbeteiligung, der Arbeit von Gleichstellungsbeauftragten und der parteilichen Mädchen*arbeit als Handlungsfeld der Jugendarbeit?

Um diese und weitere Fragen zu diskutieren und erste strategische Ansätze zu entwickeln, veranstalteten das Kompetenzzentrum Kinder- und Jugendbeteiligung Brandenburg und die Bundesstiftung Gleichstellung am 6. Juni 2023 den ersten bundesweiten Fachtag Mädchen*beteiligung in Berlin mit über 100 Teilnehmer*innen aus der Jugendarbeit, der Gleichstellungsarbeit, aus Politik und Verwaltung, aus Stadtplanung und Jugendförderplanung.

Nach Grußworten von Manuela Dörnenburg (Gleichstellungsbeauftragte des Landes Brandenburg), Lisi Maier (Direktorin der Bundesstiftung Gleichstellung) und Katrin Krumrey (Kinder- und Jugendbeauftragte des Landes Brandenburg) führten Dr. Anna Grebe und Dominik Ringler (Kompetenzzentrum für Kinder- und Jugendbeteiligung Brandenburg) für die Organisator*innen in das Thema des Fachtags ein und zeigten die Notwendigkeit einer Auseinandersetzung mit einer geschlechtersensiblen Perspektive auf und in Jugendbeteiligung auf.

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Die erste Keynote von Dr. Mary Dellenbaugh-Losse (https://urban-policy.com/de/) widmete sich der Sicht von Mädchen* und Frauen* auf Stadtplanung; sie stellte heraus, dass Frauen* und Männer* nicht nur den öffentlichen Raum unterschiedlich wahrnehmen, sondern auch dass sich diese Wahrnehmung und die Bedürfnisse durch verschiedene Lebensphasen hindurch sich ändern, z.B. durch Elternschaft oder körperliche Beeinträchtigung. Folglich nutzen Frauen* und Männer* nicht nur die vorgefundene Infrastruktur auf unterschiedliche Art und Weise, sondern gestalten und entwerfen sie auch unterschiedlich – wenn sie zu Beteiligung und Mitwirkung in der Planung eingeladen werden. Geschieht dies nicht, dann entstehen aus Sicht von Mädchen* und Frauen Situationen mit weitreichenden Folgen: Werden zum Beispiel Spielplätze nicht geschlechtersensibel und partizipativ gestaltet, dann werden sie seltener von Mädchen* genutzt – und Mädchen* lernen, dass öffentliche Orte nicht für sie geschaffen sind. Dellenbaugh-Losse schloss ihren Vortrag mit Good-Practice-Beispielen aus der geschlechtersensiblen Stadtplanung, u.a. aus Wien (Bruno-Kreisky-Park und Helmut-Zilk-Park) und Berlin (Mädchenspielplatz im Landschaftspark Wartenberg).

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Die zweite Keynote von Dr. Anna Grebe (www.annagrebe.de) fokussierte den Machtbegriff von Jugendbeteiligung und Mädchen*arbeit als Grundlage für die Entwicklung einer gemeinsamen Strategie: der feministischen Jugendbeteiligung. Wenn junge Menschen an allen sie betreffenden politischen Entscheidungen beteiligt werden, dann setzt dies voraus, dass „erwachsene“ Strukturen und Gremien Macht abgeben bzw. sich ihrer eigenen Macht zunächst bewusstwerden. Gleichermaßen setze gute Jugendbeteiligung voraus, dass sie als (pädagogischer) Prozess verstanden wird, der junge Menschen empowert, aber nicht die Entscheidungen von Erwachsenen legitimiert. Wenn nun aber in der „erwachsenen“ Politik einerseits nur auf das Outcome von Jugendbeteiligung geachtet wird und andererseits die Politik von Männern* geprägt ist, so reproduziert nahezu jede Form und jedes Format von Jugendbeteiligung ungerechte Geschlechter- und Machtverhältnisse. Deshalb, so Grebe, braucht es eine Aufwertung bzw. Rückbesinnung der Jugendarbeit auf Mädchen*arbeit, der Jugendpolitik auf Mädchen*politik – aber vor allem: Es braucht Kommunalpolitiker*innen, die verstehen, dass Jugendbeteiligung ein Prozess ist, der den jungen Menschen dient und der dennoch ganz reale Effekte zeitigen muss, damit Mädchen* und junge Frauen* zu ihren Rechten kommen und Einfluss nehmen können.

Nach den Keynotes folgte eine Podiumsdiskussion mit Dr.in Ines Pohlkamp (BAG Mädchen*politik), Manuela Dörnenburg, Dominik Ringler und Dr. Mary Dellenbaugh-Losse zur Vertiefung und Anwendung der Thesen aus den Keynotes – die Moderation übernahm Yvonne Everhartz (Bundesstiftung Gleichstellung), die gleichsam als Gesamtmoderation durch den Tag führte.

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Nach dem Mittagessen starteten fünf parallel stattfindende Workshops:

Workshops:

Workshop 1: Mädchen*beteiligung und Jugendgremien (20230813_DokuWorkshop1.pdf)
Referent*innen: Julia Krüger, Kompetenzzentrum Kinder- und Jugendbeteiligung Brandenburg, und Finn Sörje, Akademie für Kinder- und Jugendparlamente/Arbeitskreis deutscher Bildungsstätten – AdB

Workshop 2: Mädchen*beteiligung und Land-/Stadtplanung (20230813_DokuWorkshop2.pdf)
Dr. Mary Dellenbaugh-Losse, Urban Policy, und Liza Ruschin, Leiterin des Amtes für Bildung und Jugend der Stadt Luckenwalde

Workshop 3: Mädchen*beteiligung und Qualitätsstandards von Jugendbeteiligung (20230813_DokuWorkshop3.pdf)
Referent*innen: Anne Bergfeld und Dominik Ringler, Kompetenzzentrum Kinder- und Jugendbeteiligung Brandenburg

Workshop 4 – Mädchen*beteiligung und kommunale Gleichstellungsarbeit (20230813_DokuWorkshop4.pdf)
Referentin: Dr. Julia Gabler, Vertretungsprofessorin an der HS Zittau-Görlitz

Workshop 5: Mädchen*beteiligung und Mädchen*arbeit (20230813_DokuWorkshop5.pdf)
Referentinnen: Dr. Anna Grebe, Kompetenzzentrum Kinder- und Jugendbeteiligung Brandenburg, und Bianca Strzeja, Kontakt- und Koordinierungsstelle für Mädchen*arbeit im Land Brandenburg

Der Fachtag endete um 16 Uhr mit einer Zusammenfassung der Workshop-Ergebnisse.

Das Kompetenzzentrum für Kinder- und Jugendbeteiligung Brandenburg ist ein Projekt der:

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Es wird finanziert aus Mitteln des Landes Brandenburg durch das Ministerium für Bildung, Jugend und Sport.